Pflicht zur Barrierefreiheit - ist meine Website betroffen?

Autor*in: Mario Meß

31.07.2024

Ab dem 28.06.2025 gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), um Online-Inhalte für Personen mit Einschränkungen zugänglich zu machen. Welche Shops und Websites davon betroffen sind und was du konkret tun musst, erfährst du in diesem Artikel

Warum sollen Websites barrierefrei sein?

Inklusive Maßnahmen begegnen uns in unserem Alltag überall: ob Rollstuhlrampen an Gebäuden, wichtige Informationen in Blindenschrift oder Nachrichtensendungen mit Gebärdensprache. Viele Barrieren werden dabei für diejenigen, die sie nicht betreffen, erst durch diese Hilfsmittel überhaupt sichtbar. Ähnlich sieht es im Web aus. Während die Bedienung von Internetseiten für viele von uns selbstverständlich ist, stellt dies für manche eine unüberwindbare Hürde da. Mangelnde Kontraste machen es für Menschen mit speziellen Sehschwächen schwierig, Inhalte zu konsumieren. Blinde Menschen können Bilder und Videos nicht wahrnehmen. Fast 10% der Menschen in Deutschland haben eine anerkannte Schwerbehinderung und sind so auf verschiedenste Art und Weise beeinträchtigt. Laut einer Untersuchung von Google und der Aktion Mensch sind rund zwei Drittel der großen deutschen Webshops nicht barrierefrei und schließen somit viele Menschen aus.

Durch eine barrierefreie Gestaltung von Websites wird es Menschen mit Beeinträchtigung ermöglicht, die angebotenen Inhalte uneingeschränkt konsumieren können. Dazu zählt sowohl die kognitive Wahrnehmung als auch die motorische Bedienbarkeit der Oberfläche. Leicht verständliche Texte, aussagekräftige Bilder sowie ein klarer struktureller und gestalterischer Aufbau helfen Nutzer*innen dabei, sich zu orientieren und schnell zum Ziel zu gelangen. Davon profitieren nicht nur Personen mit Beeinträchtigungen, sondern alle Besucher*innen freuen sich über eine einfache Bedienbarkeit.

Auch auf die Suchmaschinenoptimierung (SEO) hat eine barrierefreie Umsetzung positive Auswirkungen. Schon seit einiger Zeit zählen die Kriterien der Barrierefreiheit zu den wichtigsten Ranking-Faktoren. Die einzelnen Maßnahmen, die zur Umsetzung der Barrierefreiheit ergriffen werden, zahlen auch positiv auf die Platzierung in den Google-Suchergebnissen ein.

Die Vorteile einer barrierefreien Website im Überblick:

  • Einfache Bedienbarkeit der Oberfläche
  • Klare Benutzer*innenführung
  • Gesteigerter Erreichungsgrad der Zielgruppe
  • Positionierung als inklusives Unternehmen
  • Optimiertes Ranking in Suchmaschinen

Was macht eine Website barrierefrei?

Für die Barrierefreiheit von Websites und Onlineshops gilt das Prinzip der Wahrnehmbarkeit. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass sämtliche Informationen und Funktionen für alle Nutzer*innen überhaupt zur Kenntnis genommen werden können. Damit das gewährleistet ist, sollen alle Informationen immer durch mindestens zwei Sinne wahrnehmbar sein. Das heißt zum Beispiel: Botschaften, die für das Auge sichtbar sind, müssen für das Ohr hörbar gemacht werden. Ist der Sehsinn beeinträchtigt, können Betroffene die Inhalte stattdessen akustisch wahrnehmen.

Darüber hinaus können einfache strukturelle und gestalterische Optimierungen die Barrierefreiheit erhöhen:

  • Ausreichende Kontraste und Größen
  • Strukturierter Aufbau der Website
  • Verständliche Sprache
  • Aussagekräftige Alternativ-Texte
  • Untertitel bei audiovisuellen Inhalten
  • Optimierung der mobilen Bedienbarkeit
  • Benutzerfreundliche Interaktionselemente

Weitere Informationen zu den Kriterien inklusiven Webdesigns haben wir in unserem Blog-Artikel zur Gestaltung barrierefreier Websites zusammengestellt.

Deine Pflichten ab 2025 im Überblick

Laut Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist es für die Anbieter von Online-Inhalten ab 28.06.2025 verpflichtend, Websites barrierefrei zu gestalten, da ansonsten empfindliche Geldstrafen drohen. Durch das Gesetz soll das Recht auf Teilhabe für Menschen mit Beeinträchtigungen gestärkt werden. Allerdings bieten barrierefreie Websites und Onlineshops auch viele weitere Vorteile. Deshalb ist der Blick auf die Zugänglichkeit deiner Online-Inhalte auch unabhängig von rechtlichen Pflichten sinnvoll.

Für wen gilt das BFSG?

Grundsätzlich betrifft das Gesetz nahezu alle Online-Anbieter von Produkten und Dienstleistungen, die nach dem 28.06.2025 an Verbraucher*innen erbracht oder in Verkehr gebracht werden. Wer ausschließlich B2B-Geschäfte anbietet, ist demnach nicht von dem Gesetz betroffen.

Für Website- und Onlineshop-Betreiber mit B2C-Ausrichtung gelten hingegen besonders die Anforderungen bezüglich der Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr. Diese schließen sämtliche Inhalte ein, die mit dem Ziel eines Vertragsabschlusses (Conversion) auf einer Website oder in einer App angeboten werden. Das kann das Angebot von Produkten zum (Online-)Kauf sein, aber unter Umständen auch einfache Call-to-Action-Elemente wie verlinkte Telefonnummern, ein Kontaktformular oder die Anmeldung zum Newsletter.

Während Onlineshops von dem BFSG also unbestritten betroffen sind, fallen die Einschätzungen von Expert*innen mit Blick auf Websites gemischt aus. Im Zweifel muss im Einzelfall entschieden werden, ob die Website oder einzelne Elemente davon auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags abzielen. Schon die gezielte Ausrichtung auf die Kontaktaufnahme durch potenzielle Kund*innen kann als solcher interpretiert werden.

Unsere Empfehlung ist daher: Die Vorteile einer barrierefreien Website überwiegen, unabhängig von gesetzlichen Verpflichtungen. Deshalb ist eine Optimierung der Barrierefreiheit in jedem Fall ratsam.

Für wen gilt das BFSG nicht?

Grundsätzlich gilt das Gesetz nur für Produkte und Dienstleistungen, die sich an Verbraucher*innen richten. Reine B2B-Angebote sind von den Verpflichtungen nicht betroffen.

Darüber hinaus sind wie bei fast allen Regeln auch im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz Ausnahmen vorgesehen. Damit soll vermieden werden, dass für Unternehmen ein unverhältnismäßig hoher Aufwand entsteht, den diese unmöglich stemmen können. Deshalb sind Kleinstunternehmen von der Umsetzung der Vorgaben befreit. Als Kleinstunternehmen gilt hierbei ein Unternehmen mit weniger als zehn Angestellten, das außerdem einen Jahresumsatz oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 2 Millionen Euro hat.

Unternehmen, für welche die Kleinstunternehmen-Regelung nicht greift, können unter bestimmten Umständen dennoch von der Umsetzung befreit werden, wenn diese eine unverhältnismäßige Belastung darstellt. Hierzu werden die Kosten für die Umsetzung oder Verbesserung der Barrierefreiheit den Gesamtkosten des Produkts oder der Dienstleistung bzw. dem Nettojahresumsatz gegenübergestellt. Die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit nimmt jedes Unternehmen für sich selbst vor. Diese muss dokumentiert, fünf Jahre lang aufbewahrt und mindestens alle fünf Jahre wiederholt werden. Auf Verlangen muss die Dokumentation an die zuständige Aufsichtsbehörde herausgegeben werden.

Was passiert, wenn ich die Vorgaben nicht umsetze?

Die zuständigen Marktüberwachungsbehörden sind per Gesetz damit beauftragt, die Umsetzung der Vorgaben immer dann zu prüfen, wenn den Grund zur Annahme gibt, dass diese nicht eingehalten werden. Das kann der Fall sein, wenn Verbraucher*innen eine Website oder einen Onlineshop melden. Auch Wettbewerber haben möglicherweise ein Interesse daran, dein Online-Angebot prüfen und beanstanden zu lassen. Außerdem sollen Prüfungen durch Marktüberwachungsbehörden auch ohne konkreten Anlass auf Basis von Stichproben stattfinden. Eine Umsetzung der Vorgaben ist deshalb auf jeden Fall zu empfehlen.

Betroffene Verbraucher*innen haben darüber hinaus das Recht, die Einleitung eines Verfahrens durch die Marktüberwachungsbehörden zu beantragen, wenn sie ein Produkt oder eine Dienstleistung aufgrund fehlender Barrierefreiheit nicht oder nur eingeschränkt nutzen können. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Welle entsprechender Anträge bei den Behörden eingeht, ähnlich der Abmahnwelle zu Google Fonts vor einiger Zeit. Spätestens dann steht eine Überprüfung durch die Behörden ins Haus.

Haben die zuständigen Prüfer etwas zu beanstanden, darfst du innerhalb einer gesetzten Frist Nachbesserungen vornehmen. Kommst du dem nicht nach, können Bußgelder von bis zu 100.000 Euro fällig werden.

Was muss ich jetzt tun?

Im ersten Schritt solltest du deine Website oder deinen Onlineshop prüfen. Was ist bereits gut umsetzt? Wo ist Optimierungsbedarf? Und was muss ich überhaupt anpassen? Wenn deine Website oder dein Onlineshop vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz betroffen ist, solltest du frühzeitig mit der Umsetzung der Optimierung beginnen.

Du bist dir unsicher, ob du betroffen bist? Melde dich bei uns und wir unterstützen dich gern bei der Einschätzung. Als Digitalagentur stehen wir dir für diese Fragen mit Rat und Tat zur Seite. Gern führen wir einen Website-Check für dich durch und erstellen für dich einen kurzen Bericht. Nach der Analyse folgt die Umsetzung: Sind die Schwachstellen identifiziert, finden wir gemeinsam die für dich passende Lösung.

Unser Tipp: Es gibt diverse Förderangebote für die Verbesserung der Barrierefreiheit. Gern suchen wir als zertifizierte Beratungsagentur mit dir gemeinsam nach einer passenden Förderung und unterstützen dich bei der Beantragung. Weitere Infos zu diesem Thema findet du auch in unserem Newsletter.

Gibt es nicht auch eine Lösung aus der Schublade?

Über die technische und gestalterische Anpassung des Frontends deiner Website oder deines Onlineshops hinaus kann der Einsatz eines sogenannten Overlay-Tools wie DIGIaccess oder Eye-Able hilfreich sein. Diese stellen nützliche Werkzeuge zur individuellen Anpassung an bestimmte körperliche Beeinträchtigungen zur Verfügung. Je nach Anbieter sind entsprechende Tools ab ca. 20 Euro pro Monat erhältlich.

Overlay-Tools sind Dienste von Drittanbietern, die mithilfe eines Code-Snippets auf jeder Website integriert werden können. In einem schwebenden Menü stehen den Besuchenden der Website dann diverse Funktionalitäten zur Anpassung des Stylings und des Verhaltens der Oberfläche zur Verfügung. Von der Änderung der Schriftgröße über Kontrastoptimierung oder Vorlesefunktionen bis hin zur Reduktion von Animationen – der Funktionsumfang ist vielseitig und hängt vom jeweiligen Anbieter und dem gewählten Tarif ab. Diese Anpassungen überlagern jedoch nur das native Verhalten der Website (daher der Name „Overlay-Tool“), sodass die zugrundeliegenden Mängel nur verdeckt, aber nicht behoben werden.

Die Barrierefreiheit deiner Inhalte wird durch solche technologischen Hilfsmittel also zusätzlich unterstützt. Der Einsatz eines Overlay-Tools allein ersetzt jedoch nicht die technische und inhaltliche Optimierung deiner Website, sondern stellt allenfalls eine kosteneffiziente Ergänzung dar. Viele Kriterien barrierefreien Webdesigns lassen sich nur mit einer sauberen technischen Umsetzung erfüllen und sollten deshalb professionell realisiert werden. Nur so profitierst du auch von den weiteren Vorteilen einer barrierefreien Website in Bezug auf SEO und Benutzerfreundlichkeit.

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